Wie zielt man überhaupt richtig? Kleine Physik des Dartfluges Teil 3
Sorry für noch einen Teil, aber das neue Forum macht etwas, was ich wirklich nicht leiden kann: Beiträge auf 10000 Zeichen begrenzen.
Gehen wir mal von einem fröhlichen kleinen Dart aus, der an einem schönen Tag aus einem Blaster losgeschossen wird. Als "Proviant" für seinen kleinen (Aus)flug bekommt er eine bestimmte Geschwindigkeit mit, die Mündungsgeschwindigkeit oder auch kurz v0, mit der er nun so weit es gehen soll auskommen muß.
Zwei Spielverderber machen ihm dabei nun zu schaffen. Das eine ist die Erdanziehungskraft. Die läßt sich nicht beirren und zieht den Dart gnadenlos nach unten, egal wie schnell er ist oder wie schwer.
Der andere Spielverderber ist der Luftwiderstand. Der beginnt sofort, den Geschwindigkeits-Proviant aufzuzehren, und das gemeine daran ist, daß der Widerstand quadratisch mit der Geschwindigkeit steigt. D.h., ein doppelt so schneller Dart kämpft mit einem viermal so hohen Luftwiderstand.
Nach dem Prinzip der "kleinen Störung" kann man das für ein einfaches physikalischen Modell mal so aufdröseln, daß man einen Dart betrachtet, der mit einer vorgegebenen Geschwindigkeit genau horizontal abgeschossen wird und nach unten beliebig viel Platz hat. Kann man sich anschaulich vorstellen, daß man am Rand eines Abgrundes steht und auf den Horizont zielt. Was dabei rauskommt, wird sich nicht sehr viel davon unterscheiden, was passiert, wenn man ein paar Grad nach oben zielt.
In diesem Modell ist der Dart in der Senkrechten nur der Erdanziehung unterworfen und beginnt direkt beim Abschuß zu fallen. Wie tief hängt nur von der Zeit ab, die er unterwegs ist. Egal, wie schnell ein Dart ist, nach einer Sekunde ist er immer ungefähr die gleiche Strecke gefallen (rund 5m).
Horizontal zehrt er seine Geschwindigkeit auf, um voranzukommen, und zwar gegen den Luftwiderstand. Nach einiger Zeit ist seine gesamte horizontale Geschwindigkeit verbraucht, und er fällt nur noch senkrecht in den Abgrund. Die spannende Frage ist nun, wie weit kommt er denn, bevor das passiert?
Jetzt ist es Zeit, sich mit dem Luftwiderstand zu beschäftigen. Glücklicherweise ist das bei Darts eine einfache Sache, weil sie generell eher langsam unterwegs sind. Man kann dabei Luft genau wie Wasser als inkompressibel (d.h., sie läßt sich nicht zusammendrücken, sondern weicht aus) betrachten, was die Strömungsphysik sehr vereinfacht. Der Widerstand beim Flug kommt dabei im wesentlichen vom Staudruck, d.h. der Dart verdrängt mit seinem Kopf beim Fliegen die Luft, und das kostet Energie. Die Energie des Darts steckt in seiner Geschwindigkeit, also wird die dadurch kleiner.
Wie ich schon geschrieben habe, hängt der Luftwiderstand quadratisch von der Geschwindigkeit ab. Leider hängt er auch von der Querschnittsfläche des Darts ab. Den im Vergleich zu ihrem Gewicht relativ dicken Darts macht er also schwer zu schaffen.
Die Form des Darts und seine Beschaffenheit geht dabei in Form eines experimentell ermittelten Koeffizienten, dem Luftwiderstandsbeiwert, in den Luftwiderstand ein (siehe auch die Grafik in einem der vorigen Posts). Dieser Koeffizient oder Beiwert ist einfach eine Zahl zwischen 0 und 1, die angibt, wieviel Widerstand der Dart im Vergleich zu einer einfachen glatten Platte mit der gleichen Fläche hat. Für einen Kurzdart liegt er so bei ungefähr 0.81, lange Darts haben über 0.9. Ein Bamboo-Dart mit seinen Ringen liegt im frischen Zustand ungefähr dazwischen.
Allerdings ist Teil der "Beschaffenheit" auch die Oberfläche. Ein glatter Dart hat einen kleineren Koeffizienten (also weniger Widerstand) als einer mit der frischen rauhen Schaumstoff-Oberfläche. Eine Teflon-Behandlung verändert den Koeffizienten meßbar, bei den Bamboo-Darts habe ich das nachgemessen, man kommt von 0.85 ohne Teflon auf etwa 0.7 mit teflonisierten Darts.
Wenn man die erforderlichen Formeln für den senkrechten Fall und die horizontale Flugstrecke unter Berücksichtigung des Luftwiderstandes mal in ein kleines Programm einbaut und das ganze für viele kurze Zeitschritte rechnen läßt, bekommt man eine numerische Simulation der Flugbahn. Man kann sich die Zwischenergebnisse als Tabelle ausgeben lassen, das sieht dann ungefähr so aus (hier mal als Beispiel für einen "langen" Elite-Dart mit 100 fps, die Resultate sind natürlich metrisch ausgegeben):
Eine solche Tabelle bezeichnet man als "Ballistische Tafel", denn sie gibt an, wie weit ein Projektil für eine vorgegebene v0 nach welcher Flugstrecke gefallen ist. Ich habe zusätzlich noch die restliche Energie des Darts ausgegeben, sowie die theoretische Einstellung des Scope-Winkels, um den Fall zu kompensieren. Aus der Simulation kommt in der ersten Spalte die Flugzeit, und ich habe in der letzten Spalte ist auch noch einen Winkel angegeben, um den bereits angesprochenen Parallaxenfehler auszugleichen.
Mit den Winkeln aus der Tabelle könnte der geneigte kleine Sniper dann sogar am Rädchen drehen, um für die im Scope gemessene Entfernung das Fadenkreuz "auf den Punkt" anzupassen. Klick-klick-klick.
(Ein Wort der Warnung noch: man sollte Zahlen aus einem Computer nie blind vertrauen. Die Rechnung gilt für einen exakt horizontal geschossenen Elite, der perfekt symmetrisch ist und mit exakt 100fps losfliegt. Wenn man real schießt, hält man diese Werte allerdings nie genau ein. Elites sind schon wegen dem einseitigen Loch im Kopf nicht symmetrisch. Und man kann in der Realität weder die Fallhöhe noch die Flugstrecke genau genug messen, und die v0 schon gar nicht. Schickt mir also bitte keinen Schitstorm wegen ein paar Zentimetern Abweichung zwischen Simulation und Wirklichkeit!)
Mit diesen Zahlenwerten und den MIL-Teilungen im Scope bekommt man also (mit etwas Kopfrechnen) einen Anhaltspunkt dafür, wieviele Teilungen man über das Ziel halten muß, um bei einer vorgegebenen (oder ermittelten) Entfernung das Ziel zu treffen.
------
Es ist interessant, solche Rechnungen mit verschiedenen Dartgeschwindigkeiten zu machen und zu sehen, wieviel eine höhere Dartgeschwindigkeit eigentlich an Reichweite bringt. Das Ergebnis (wie gesagt, Zahlen aus dem Computer!) ist ehrlich gesagt ernüchternd. Gerade bei hohen Dartgeschwindigkeiten fällt stark auf, daß der Dart den weitaus größten Anteil seiner Energie schon nach grob etwa 10m Flugstrecke verloren hat. Nach einer Flugzeit von etwa Sekunde hat er (unabhängig von der v0!) nur noch ungefähr 0.1 Joule Restenergie übrig (entspricht über'n Daumen 10m/s oder etwa 30fps) und beginnt sich merklich Richtung Boden zu neigen. Die Flugstrecke überschreitet selbst bei sehr hohen Mündungsgeschwindigkeiten (die einfache Physik im Programm gilt bis ca. 100m/s oder 300fps, ab da wird die Luftströmung dann eben doch kompressibel) nicht 25 bis 30 Meter. Ups. Der Dart an sich ist, salopp gesagt, einfach zu leicht und zu dick, um weit zu fliegen.

Das gilt natürlich alles für den näherungsweise horizontalen, gezielten Schuß. Klar kann man weiter kommen, wenn man schräg in den Himmel ballert. Aber da oben (ca. 10-15m Höhe) ist der Dart dann halt auch langsam, segelt nur noch nach unten und kommt am Ende irgendwo runter. Mit Zielschießen hat das nichts mehr zu tun.