medusa
Auf Blasted zuhause
So, liebe NERF-Gemeinde,
das hatte ich euch das ja schon angedroht. *VORSICHT VIEL TEXT*
Ich wollte ein paar Gedanken loswerden, was die Physik in einem federgetriebenen Blaster angeht. Ich habe dazu besonders in englischsprachigen Foren Threads gelesen, die in wüsten Flaming-Schlachten endeten, weil kein Beteiligter von seiner (ungetesteten!) Lieblingsidee lassen wollte. So etwas muß nicht sein. Im Zweifelsfall einfach Mod basteln, messen, Ergebnis mit der ungemoddeten Referenz vergleichen. Streit zuende.
Deshalb habe ich auch den Audacity-Chrono als Einführung meinerseits hier benutzt, weil der so einfach ist, daß ihn jeder selbst aufbauen und nachmessen kann. Genau das ist nämlich die Bedeutung des Begriffes "Experiment": jeder kann das überall auf der Welt nachbauen, durchführen und bekommt dasselbe Resultat.
Für die Jüngeren hier im Forum werde ich ein paar Begriffe etwas ausführlicher erklären. Die strunzblödlangweilige Schulphysik ist leider keine Hilfe bei den wirklich interessanten Sachen. Die Älteren schlafen an den Stellen hoffentlich nicht ein.
Gut, nach dieser länglichen Vorrede legen wir mal los... grundsätzlich sind wir uns ja darüber im klaren, daß im Blaster Druckluft mit Hilfe einer gespannten Feder und eines Kolbens erzeugt wird. Diese Druckluft treibt dann den Dart irgendwie an.
Zu ersterem gibt es hier im Forum ja schon eine ganz hervorragende Einführung von SirScorp (Link: https://blasted.de/t5421/ ) der ich auch gar nichts hinzufügen möchte.
Ich werde mich hier auf das beschränken, was passiert, während der Dart im Blaster schon unterwegs ist.
In den Flaming-Schlachten in den oben zitierten Foren habe ich ein paar wichtige physikalische Grundbegriffe vermißt, nämlich:
** Luft hat eine Masse. Damit unterliegt sie dem Gesetz der Massenträgheit (d.h., einmal in Bewegung, will sie sich in dieser Richtung genau so weiterbewegen, wenn keine Reibung mit etwas anderem sie daran hindert). Wenn das nicht so wäre, könnten wir keine Kerze auspusten, und insbesondere die Lockwood-Engine (Link: https://en.wikipedia.org/wiki/Valveless_pulse_jet ) würde nicht funktionieren.
** Es gilt der Energieerhaltungssatz. Darüber macht sich kaum jemand Gedanken, obwohl die Energie in einem Blaster zweimal umgewandelt wird: von mechanischer Federspannung in die Druckenergie komprimierter Luft im Zylinder, und die wird dann in Bewegungs-Energie des Darts umgewandelt.
Da kann man an dieser Stelle auch gleich mal den Wirkungsgrad ausrechnen: die Stock-Feder in meiner Rampage übt bei einem Spannweg von 70mm eine Kraft von 25N aus (mahnender Zeigefinger: die Einheit für Kraft ist Newton und nicht Kilogramm!). Das entspricht einer gespeicherten Energie von fast einem Joule.
Am anderen Ende des Blasters (hier also meiner Rampage) kommt ein Dart raus, der ein Gramm Masse und eine Geschwindigkeit von 20m/s hat. Die kinetische Energie ist in diesem Fall 0.2J. Das heißt, rund 20% der reingesteckten Energie kommen tatsächlich mit dem Dart raus. Für ein Spielzeug aus Plastik (!) ist das ein beachtlicher Wirkungsgrad. Meinen Respekt den Hasbro-Ingenieuren.
** Aus dem Energieerhaltungssatz läßt sich direkt das Strömungsgesetz von Bernoulli ableiten. Wer gräßliche Formeln mag, findet die auf Wikipedia; ich will's hier mal etwas anschaulicher deutlich machen.
(Bernoulli an): Grundidee ist, was vorne in ein Rohr reingeht, muß hinten auch wieder rauskommen. Also, wenn das Rohr unterwegs enger wird, müssen die vorne schneller machen, sonst gibt's Stau. Und umgekehrt. Das Gesetz von Bernoulli sagt im Prinzip genau das. Wenn in einer Strömung die Geschwindigkeit zunimmt, sinkt der statische Druck. (Statischen Druck kann man sich anschaulich als quer zur Strömung vorstellen.) Das ist auch genau der Grund, warum Flugzeuge fliegen können: Tragflächen sind nach oben gewölbt. Die Luft, die darüber strömt, hat also weniger Platz und muß schneller werden, um vorbeizukommen. Dadurch sinkt der statische Druck. Über den Tragflächen ist also ein Unterdruck, der das Flugzeug nach oben "saugt". (Bernoulli aus)
** Das mit dem Druckabfall kann man richtig weit treiben in einer Strahlpumpe. (Strahlpumpe an) Durch eine sehr enge Düse strömt Luft (oder auch Wasser) so schnell aus, daß der statische Druck unter den Druck der Umgebung sinkt. Was immer neben dem Strahl ist, wird jetzt von diesem angesaugt und mitgerissen. Tritt der Strahl jetzt wieder in einen Fangtrichter ein (nennt man Diffusor), nimmt er mit, was er angesaugt hat. Wenn der Bereich, in dem der Strahl frei fliegt, geschlossen ist, nennt man das eine Mischkammer, und die wird durch den Strahl langsam ausgepumpt. (Strahlpumpe aus)
So, jetzt sind wir also da, wo ich mit euch hinwollte.
Ich glaube zwar nicht, daß der Luftstrom im Blaster den Dart ansaugt, aber es würde erklären, warum die Verbindung von Lauf und Verschluß nicht abgedichtet ist. Wenn die Luft aus dem Zylinder schnell genug durch den Verschluß strömt, so daß der statische Druck bis auf den Druck der Erdatmosphäre fällt, dann ist es egal, ob die Verbindung dicht ist. Das ist genau wie in der Mischkammer der Strahlpumpe, nur daß bei uns im Blaster nichts angesaugt wird. Der Strahl verschwindet einfach im Diffusor und setzt seinen Weg fort. In unserem Fall wäre der Lauf also ein Diffusor.
Das hab ich gemeint, als ich an anderer Stelle mal geschrieben habe, daß der Blaster mehr mit einer Strahlpumpe gemeinsam hat als mit einem Blasrohr. Der Dart "schwimmt" im Luftstrom im Lauf/Diffusor, oder wird anders gesagt durch ihn "hindurchgespült".
Nun hab ich im vorigen Thread (Link: https://blasted.de/t5728/#post102834 ) ja schon Messungen gemacht, die den Schluß nahelegen, daß der Dart seine ganze kinetische (Bewegungs-) Energie schon im Verschluß bekommt. An dem Punkt sind wir dann doch wieder ein bißchen beim Blasrohr.
Allerdings sind Darts ja nicht alle gleich. Vielleicht ist einer schon ein bißchen weich, der nächste hat eine ausgefranste Hinterkante, der Dritte sitzt mit einem gestauchten "Bauch" besonders fest... Wenn er dann endlich wie ein Korken aus der Flasche geflogen ist, befindet er sich im Lauf in einem gleichförmigen Luftstrom. Ist er etwas langsamer als die Luft, nimmt die ihn mit und er wird schneller. Ist er zu schnell, bremst ihn die langsamere Luft etwas. Genau einen solchen Effekt zeigt der Vergleich der Messungen des Blasters mit und ohne Lauf: Mit dem Lauf gibt es weniger Abweichungen in der Fluggeschwindigkeit der Darts.
So, eins fehlt noch, und das ist der Effekt der Laufaufsätze, die es für einige NERF Blaster gibt. Meistens haben die ja wohl einen größeren Durchmesser als der Laufansatz beim Blaster. Ok, also strömt Luft durch ein Rohr, und der Durchmesser wird plötzlich größer. Na wer weiß es, was passiert?.
Klar, wie oben beim Bernoulli wird die Luft langsamer. Und da der Dart noch in ihr schwimmt, wird er auch langsamer.
Jetzt könnte man sich fragen, ob das nicht dasselbe ist, als ob der Dart in freier Luft fliegt. Denn die strömt ja schließlich gar nicht (jedenfalls nicht, wenn es windstill ist) und bremst den Dart doch viel stärker, oder?
Antwort: das mit dem Bremsen stimmt schon. Aber im Freien kann die Luft noch etwas ganz anderes tun, nämlich einfach zur Seite ausweichen. Das ist in einem Rohr nicht so einfach, weil eben die Rohrwand da ist.
Ich hatte übrigens eine Idee, wie man das "Schwimmen" des Darts im Lauf messen kann. Wenn das wirklich stimmt, muß der Dart auch dem Luftstrom durch einen mit Absicht krummgebogenen Lauf folgen. Der muß nicht sehr krumm sein, nur soviel, daß der Dart auf geradem Weg nicht mehr durchpaßt (das sind so 2mm auf die Stock-Lauflänge). Werd ich mal versuchen...
So das soll's erstmal sein. Mir rauchen die Finger vom Tippen, und denen, die noch wach sind, wahrscheinlich die Köpfe vom Lesen.
Mit Gruß, ~Diane.
das hatte ich euch das ja schon angedroht. *VORSICHT VIEL TEXT*
Ich wollte ein paar Gedanken loswerden, was die Physik in einem federgetriebenen Blaster angeht. Ich habe dazu besonders in englischsprachigen Foren Threads gelesen, die in wüsten Flaming-Schlachten endeten, weil kein Beteiligter von seiner (ungetesteten!) Lieblingsidee lassen wollte. So etwas muß nicht sein. Im Zweifelsfall einfach Mod basteln, messen, Ergebnis mit der ungemoddeten Referenz vergleichen. Streit zuende.
Deshalb habe ich auch den Audacity-Chrono als Einführung meinerseits hier benutzt, weil der so einfach ist, daß ihn jeder selbst aufbauen und nachmessen kann. Genau das ist nämlich die Bedeutung des Begriffes "Experiment": jeder kann das überall auf der Welt nachbauen, durchführen und bekommt dasselbe Resultat.
Für die Jüngeren hier im Forum werde ich ein paar Begriffe etwas ausführlicher erklären. Die strunzblödlangweilige Schulphysik ist leider keine Hilfe bei den wirklich interessanten Sachen. Die Älteren schlafen an den Stellen hoffentlich nicht ein.
Gut, nach dieser länglichen Vorrede legen wir mal los... grundsätzlich sind wir uns ja darüber im klaren, daß im Blaster Druckluft mit Hilfe einer gespannten Feder und eines Kolbens erzeugt wird. Diese Druckluft treibt dann den Dart irgendwie an.
Zu ersterem gibt es hier im Forum ja schon eine ganz hervorragende Einführung von SirScorp (Link: https://blasted.de/t5421/ ) der ich auch gar nichts hinzufügen möchte.
Ich werde mich hier auf das beschränken, was passiert, während der Dart im Blaster schon unterwegs ist.
In den Flaming-Schlachten in den oben zitierten Foren habe ich ein paar wichtige physikalische Grundbegriffe vermißt, nämlich:
** Luft hat eine Masse. Damit unterliegt sie dem Gesetz der Massenträgheit (d.h., einmal in Bewegung, will sie sich in dieser Richtung genau so weiterbewegen, wenn keine Reibung mit etwas anderem sie daran hindert). Wenn das nicht so wäre, könnten wir keine Kerze auspusten, und insbesondere die Lockwood-Engine (Link: https://en.wikipedia.org/wiki/Valveless_pulse_jet ) würde nicht funktionieren.
** Es gilt der Energieerhaltungssatz. Darüber macht sich kaum jemand Gedanken, obwohl die Energie in einem Blaster zweimal umgewandelt wird: von mechanischer Federspannung in die Druckenergie komprimierter Luft im Zylinder, und die wird dann in Bewegungs-Energie des Darts umgewandelt.
Da kann man an dieser Stelle auch gleich mal den Wirkungsgrad ausrechnen: die Stock-Feder in meiner Rampage übt bei einem Spannweg von 70mm eine Kraft von 25N aus (mahnender Zeigefinger: die Einheit für Kraft ist Newton und nicht Kilogramm!). Das entspricht einer gespeicherten Energie von fast einem Joule.
Am anderen Ende des Blasters (hier also meiner Rampage) kommt ein Dart raus, der ein Gramm Masse und eine Geschwindigkeit von 20m/s hat. Die kinetische Energie ist in diesem Fall 0.2J. Das heißt, rund 20% der reingesteckten Energie kommen tatsächlich mit dem Dart raus. Für ein Spielzeug aus Plastik (!) ist das ein beachtlicher Wirkungsgrad. Meinen Respekt den Hasbro-Ingenieuren.
** Aus dem Energieerhaltungssatz läßt sich direkt das Strömungsgesetz von Bernoulli ableiten. Wer gräßliche Formeln mag, findet die auf Wikipedia; ich will's hier mal etwas anschaulicher deutlich machen.
(Bernoulli an): Grundidee ist, was vorne in ein Rohr reingeht, muß hinten auch wieder rauskommen. Also, wenn das Rohr unterwegs enger wird, müssen die vorne schneller machen, sonst gibt's Stau. Und umgekehrt. Das Gesetz von Bernoulli sagt im Prinzip genau das. Wenn in einer Strömung die Geschwindigkeit zunimmt, sinkt der statische Druck. (Statischen Druck kann man sich anschaulich als quer zur Strömung vorstellen.) Das ist auch genau der Grund, warum Flugzeuge fliegen können: Tragflächen sind nach oben gewölbt. Die Luft, die darüber strömt, hat also weniger Platz und muß schneller werden, um vorbeizukommen. Dadurch sinkt der statische Druck. Über den Tragflächen ist also ein Unterdruck, der das Flugzeug nach oben "saugt". (Bernoulli aus)
** Das mit dem Druckabfall kann man richtig weit treiben in einer Strahlpumpe. (Strahlpumpe an) Durch eine sehr enge Düse strömt Luft (oder auch Wasser) so schnell aus, daß der statische Druck unter den Druck der Umgebung sinkt. Was immer neben dem Strahl ist, wird jetzt von diesem angesaugt und mitgerissen. Tritt der Strahl jetzt wieder in einen Fangtrichter ein (nennt man Diffusor), nimmt er mit, was er angesaugt hat. Wenn der Bereich, in dem der Strahl frei fliegt, geschlossen ist, nennt man das eine Mischkammer, und die wird durch den Strahl langsam ausgepumpt. (Strahlpumpe aus)
So, jetzt sind wir also da, wo ich mit euch hinwollte.
Das hab ich gemeint, als ich an anderer Stelle mal geschrieben habe, daß der Blaster mehr mit einer Strahlpumpe gemeinsam hat als mit einem Blasrohr. Der Dart "schwimmt" im Luftstrom im Lauf/Diffusor, oder wird anders gesagt durch ihn "hindurchgespült".
Nun hab ich im vorigen Thread (Link: https://blasted.de/t5728/#post102834 ) ja schon Messungen gemacht, die den Schluß nahelegen, daß der Dart seine ganze kinetische (Bewegungs-) Energie schon im Verschluß bekommt. An dem Punkt sind wir dann doch wieder ein bißchen beim Blasrohr.
Allerdings sind Darts ja nicht alle gleich. Vielleicht ist einer schon ein bißchen weich, der nächste hat eine ausgefranste Hinterkante, der Dritte sitzt mit einem gestauchten "Bauch" besonders fest... Wenn er dann endlich wie ein Korken aus der Flasche geflogen ist, befindet er sich im Lauf in einem gleichförmigen Luftstrom. Ist er etwas langsamer als die Luft, nimmt die ihn mit und er wird schneller. Ist er zu schnell, bremst ihn die langsamere Luft etwas. Genau einen solchen Effekt zeigt der Vergleich der Messungen des Blasters mit und ohne Lauf: Mit dem Lauf gibt es weniger Abweichungen in der Fluggeschwindigkeit der Darts.
So, eins fehlt noch, und das ist der Effekt der Laufaufsätze, die es für einige NERF Blaster gibt. Meistens haben die ja wohl einen größeren Durchmesser als der Laufansatz beim Blaster. Ok, also strömt Luft durch ein Rohr, und der Durchmesser wird plötzlich größer. Na wer weiß es, was passiert?.
Jetzt könnte man sich fragen, ob das nicht dasselbe ist, als ob der Dart in freier Luft fliegt. Denn die strömt ja schließlich gar nicht (jedenfalls nicht, wenn es windstill ist) und bremst den Dart doch viel stärker, oder?
Antwort: das mit dem Bremsen stimmt schon. Aber im Freien kann die Luft noch etwas ganz anderes tun, nämlich einfach zur Seite ausweichen. Das ist in einem Rohr nicht so einfach, weil eben die Rohrwand da ist.
Ich hatte übrigens eine Idee, wie man das "Schwimmen" des Darts im Lauf messen kann. Wenn das wirklich stimmt, muß der Dart auch dem Luftstrom durch einen mit Absicht krummgebogenen Lauf folgen. Der muß nicht sehr krumm sein, nur soviel, daß der Dart auf geradem Weg nicht mehr durchpaßt (das sind so 2mm auf die Stock-Lauflänge). Werd ich mal versuchen...
So das soll's erstmal sein. Mir rauchen die Finger vom Tippen, und denen, die noch wach sind, wahrscheinlich die Köpfe vom Lesen.
Mit Gruß, ~Diane.